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Ende der Unschuld

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 15.01.2019 11:44
Wie kommentieren die wichtigsten Zeitungen den tragischen Tod des Danziger Stadtpräsidenten Paweł Adamowicz? Die Einzelheiten in der Presseschau.

Wichtigstes Thema in allen Tageszeitungen ist heute der Tod des Danziger Stadtpräsidenten Paweł Adamowicz. Der Politiker war am Sonntag, während des Finales des Orchesters der Weihnachtlichen Hilfe von einem Messerstecher angegriffen worden.

Rzeczpospolita: Ende der Unschuld

Es sei schwer nach dem Mord an Adamowicz, nicht erschüttert zu sein. Polen habe nicht nur einen herausragenden Kommunalpolitiker, den langjährigen Anführer einer Lokalgemeinschaft, einen guten und herzlichen Menschen, aber auch die letzten Reste seiner politischen Unschuld verloren, schreibt in seinem Kommentar zum tragischen Vorfall der Publizist der konservativen Rzeczpospolita, Bogusław Chrabota. Denn noch bis gestern, so der Autor, hätten wir auf unsere politische Szene mit der friedlichen Revolution von 1989 im Hinterkopf geblickt. Wir hätten uns damit gebrüstet, dass vielleicht die polnische Politik voller Wut und verbaler Aggression sei, aber dass diese nicht in physische Gewalt eskaliert. All dem habe die Messerattacke während des Finales des Orchesters der Weihnachtlichen Hilfe ein Ende gesetzt.

Die Attacke, so Chrabota, sei zweifellos ein Terrorakt mit politischen Motiven, wovon sowohl die Wahl der Umstände des Anschlags zeugen, als auch die Worte, die der Messerstecher ins Mikrofon gerufen habe. Adamowicz sollte ein symbolisches Opfer der Rache eines psychisch gestörten Menschen sein. Über die genauen Motive der Tat werden sicherlich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft entscheiden, darüber wolle er nicht spekulieren.

Doch Stefan W., betont Chrabota, hätte vermutlich nicht den Mut für seine Attacke gehabt, wäre da nicht unsere stille Zustimmung für die ungeheure Eskalation von Hass, die uns die modernen Medien bieten, besonders Social Media. Doch er wolle auch nicht die ganze Schuld den Medien in die Schuhe schieben. Ebenso gefährlich, so der Publizist, sei unsere Insensibilität in Bezug auf skandalöses Verhalten von politischen Gegnern, wie etwa die Sterbeurkunde, die die nationalistische Organisation Allpolnische Jugend Adamowicz vor einigen Jahren ausgestellt habe, die Verbrennung einer Juden-Puppe in Wrocław oder die symbolische Hängung von Europaabgeordneten der Bürgerplattform in Katowice durch Nationalisten. Die öffentliche Verwaltung, lesen wir weiter, drücke in Bezug auf solche angeblich unschädlichen Happenings ein Auge zu, statt Entschiedenheit zu zeigen. In diesem Sinn sei sie für die Vorfälle in Gdańsk ebenso verantwortlich, wie Hater im Internet sowie die Autoren der von Hass erfüllten Titelseiten meinungsbildender Wochenzeitungen.

Wenn man die Moderne hinzunehme, in der die Grenze zwischen der virtuellen und realen Welt verschwimme, sei die Sorge berechtigt, dass die Intensivierung des politischen Kampfes bei den kommenden drei Wahlkampagnen potenzielle Nachahmer des Messerstechers ermutigen könnte. Umso größer, betont der Autor, sei unsere zivilgesellschaftliche Verantwortung für die Standards des öffentlichen Lebens in Polen. In diesem Sinne müsse der tragische Tod von Paweł Adamowicz zu einem Wendepunkt werden, der zu einer Ernüchterung der polnischen Politik und Publizistik führe. Hate-Speech müsse systematisch bekämpft werden. Wenn nicht, werden wir alle in gleichem Maße Blut auf unseren Händen haben, schreibt Bogusław Chrabota in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita.

Gazeta Wyborcza: Die Saat des Hasses trägt Früchte

Er könne das Gerede von dem gespaltenen und in zwei Stämme geteilten Land nicht mehr hören, schreibt in seiner Stellungnahme zum tragischen Tod des Danziger Stadtpräsidenten der Publizist der linksliberalen Gazeta Wyborcza, Jarosław Kurski. All die Geschichten von miteinander kämpfenden Lagern, politisierten Medien und TV-Kanälen, von Menschen, die in den Social Media miteinander kämpfen. Denn dieses Gerede, so Kurski, verteile die Schuld gleichmäßig auf uns alle.

Aber um Gottes willen, so der Autor, es sei doch nicht die Opposition, die heute an der Macht sei. Auf die Regierenden falle also die größere Verantwortungslast - zum Beispiel für die Tatenlosigkeit des Staates in Bezug auf Hate-Speech, sowie Übergriffe vor rassistischem, sexuellem und politischem Hintergrund. Heute, schreibt Kurski, habe die Regierung das Monopol für die öffentlichen Medien, in denen besonders in Bezug auf das Orchester der Weihnachtlichen Hilfe und persönlich gegenüber Stadtpräsident Paweł Adamowicz seit Jahren eine Verleumdungskampagne lief, all das bei leider charakteristischen Schweigen des Großteils der polnischen Kirche.

Paweł Adamowicz, so der Autor, sei der von der nationalistischen Propaganda verhassteste Kommunalpolitiker gewesen. Auf nationalistischen Foren habe dies auch sein Tod nicht geändert. Und eben aus diesem Grund habe der Angreifer ihn zum Ziel gewählt. Für die Regierungspropaganda, lesen wir, sei Adamowicz ein “Deutscher”, “Dieb”, “Propagator von Homosexualismus“, “eine Marionette der EU”, “Verteidiger der Eliten” und “Hooligan” gewesen, der Flüchtlinge nach Polen holen wollte und das Orchester der Weihnachtlichen Hilfe unterstützte. Wozu er an all das einen Tag nach dem Tod von Adamowicz erinnere? Wenn man Tatsachen nicht beim Namen nenne, können sie sich wiederholen. Und in der Sprache der Propaganda werde der Angriff nur eine “vereinzelte Attacke eines Verrückten” bleiben.

Heute, so Kurski, würden die Regierenden Adamowicz nachtrauern. Doch der beste Weg, ihn zu würdigen, wäre eine Änderung der Sprache und die reelle Bekämpfung von Verbrechen, die von Hass motiviert seien. Eine Änderung, nach der kein Staatsanwalt mehr solche Fälle, wie den zur von der Allpolnischen Jugend ausgestellten “Sterbeurkunde” von Adamowicz einstelle. Denn wie man sehe, führe vom Staat nicht gezähmter Hass zur Ausstellung von echten Totenscheinen, so Jarosław Kurski in der Gazeta Wyborcza.

Gazeta Polska Codziennie: Das hätte nicht geschehen dürfen

Die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie macht in ihrem Bericht zum Tod des Danziger Stadtpräsidenten indes darauf aufmerksam, dass für die Absicherung der Veranstaltung der Organisator verantwortlich gewesen sei. Und dieser Aspekt, so das Blatt, werde, wie der Vertreter des Generalstaatsanwalts informierte, vermutlich in den Ermittlungen auch untersucht werden. Zudem habe auch das Innenministerium eine unabhängige Kontrolle in der Sicherheitsfirma “Tajfun” angeordnet, die das Konzert in Danzig abgesichert habe.

Die wichtigsten Politiker des Regierungslagers, darunter Staatspräsident Andrzej Duda, Regierungschef Mateusz Morawiecki, PiS-Chef Jarosław Kaczyński und Sejmmarschall Marek Kuchciński, hätten den Angehörigen des Verstorbenen ihr Beileid ausgesprochen, erfahren wir aus Gazeta Polska Codziennie, die unter dem Artikel ebenfalls zwei Todesanzeigen veröffentlicht - eine im Namen der Recht und Gerechtigkeit von PiS-Chef Jarosław Kaczyński und eine von der Redaktion des Blattes.

Autor: Adam de Nisau

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