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Korruptionsaffäre schlägt weite Kreise

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 20.11.2018 12:30
Geht es nach Rzeczpospolita, gefährde die Korruptionsaffäre in der Finanzaufsicht das wichtigste Projekt der PiS, Gazeta Wyborcza zweifelt die Unabhängigkeit der Ermittlungen an und Gazeta Polska Codziennie wittert eine Verschwörung.
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Rzeczpospolita: Von Misiewicz zu Chrzanowski

Die Regierungspartei (PiS) stehe in der Affäre unter enormen Zugzwang, schreibt in seinem Kommentar für die konservative Rzeczpospolita Publizist Michał Szułdrzyński. Die Tatsache, dass die Recht und Gerechtigkeit bis heute keine überzeugende und einheitliche Gegen-Narration zu den täglich neuen Medienberichten entworfen habe, gefährde eines ihrer wichtigsten Projekte. Denn, so Szułdrzyński, die Partei von Jarosław Kaczyński habe sich neben institutionellen Reformen auch einen totalen gesellschaftlichen Umbau zum Ziel gesetzt. Die Krönung des Projekts sollte die Entstehung neuer Eliten sein, die einerseits die Regierung inhaltlich unterstützen könnten, aber auch den Grundstein für eine neue gesellschaftliche Ordnung darstellen würde. Die neuliche Demission von Chrzanowski sei nicht die erste und bestimmt nicht die letzte Entlassung eines von der PiS ernannten Spitzenbeamten. Neben der Geschichte des Beraters von Ex-Verteidigungsminister Antoni Macierewicz Bartłomiej Misiewicz, sei sie aber das wohl spektakulärste Fiasko des Konzepts neuer konservativer Eliten, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita.

Gazeta Wyborcza: Null Glaubwürdigkeit, Herr Ziobro

Agnieszka Kublik von der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza stellt in ihrem Kommentar die Unabhängigkeit der Ermittlungen zur Affäre in Frage. Vor allem die Tatsache, dass Justizminister Ziobro persönlich die Ermittlungen beaufsichtigt sei eine gute Nachricht für die PiS, aber eine sehr schlechte für die Ermittlungen selbst.

Der Grund: Die Fäden, die in dem von Geschäftsmann Leszek Czarnecki aufgezeichneten Gespräch ans Tageslicht gekommen seien, würden zu den wichtigsten Personen in der Regierungspartei führen. Zum Beispiel vom Vorsitzenden der Finanzaufsichts-Kommission Marek Chrzanowski zu einem der engsten Mitarbeiter von PiS-Chef Jarosław Kaczyński, Nationalbankchef Adam Głapiński.

Es sei höchst unwahrscheinlich, dass Chrzanowski den 40 Millionen schweren Deal mit dem Eigentümer von Noble Bank ohne den Segen von Głapiński habe abwickeln wollen. Geht es nach Czarnecki selbst, habe ihm der Nationalbank-Chef unter anderem gesagt, dass der Fall des Auditors Sokal, der sich für die Übernahme von Czarneckis Banken durch den Staat einsetzte, innerparteilich gelöst werde. Vom Nationalbankchef würden die Fäden indes zum Minister für Spezialdienste Marek Kamiński führen. Und Kamiński verdanke der PiS nicht nur seinen Posten sondern auch seine umstrittene Begnadigung durch Staatspräsident Andrzej Duda. Kamińskis Sohn indes habe dank Głapiński eine gutbezahlte Stelle in der Weltbank erhalten. Die ihm untergeordneten Dienste, lesen wir, hätten - zweifellos in Vereinbarung mit Justizminister Ziobro - dem KNF-Chef vor dessen Festnahme ausreichend Zeit gegeben, um sein Büro zu säubern.

Wenn Ziobro und Kamiński sich also nicht von den Ermittlungen fernhalten, bedeute dies ganz einfach, dass diese von der Partei selbst beaufsichtigt werden. Und dass sie im Parteisitz unter den Teppich gekehrt werden soll, so Kublik in der Gazeta Wyborcza.

Gazeta Polska Codziennie: Ermittler haben Czarnecki verhört

In ihrem Kommentar zur Affäre erinnert die nationalkonservative Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie daran, dass die von den Medien errechnete Summe von 40 Millionen im Gespräch selbst nicht auftaucht. Laut Czarnecki, lesen wir im Blatt, habe KNF-Chef ihm nur einen Zettel gezeigt, auf dem “1 Prozent” stand. Da das Beweisstück den Ermittlern nicht zur Verfügung stehe, müsste sich die Staatsanwaltschaft auf eine Untersuchung Czarneckis mit einem Lügendetektor verlassen. Der KNF-Chef habe nach der Veröffentlichung des betreffenden Gesprächs seine Demission eingereicht und die Staatsanwaltschaft ermittle.

Laut dem von Gazeta Polska Codziennie zitierten Nationalbankchef Adam Glapiński, sei das polnische Finanzsystem unverändert “stabil und sicher”. Geht es indes nach der Vize-Chefin der parlamentarischen Kommission für Öffentliche Finanzen, Gabriela Masłowska, könne man den Verdacht haben, dass die Affäre hervorgerufen worden sei, um das polnische Finanzsystem zu destabilisieren. Für endgültige Einschätzungen sei es jedoch noch viel zu früh, betont Masłowska im Gespräch mit Gazeta Polska Codziennie.

Autor: Adam de Nisau

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