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Fehlende Vision für die EU

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 14.11.2018 10:23
Macron, Merkel, Morawiecki - drei von Grund auf verschiedene Vorstellungen.
Foto: European Union

RZECZPOSPOLITA: Fehlende Vision für die EU

Die Europäische Union befinde sich in einer Krise – mit dieser wenig erfinderischen Feststellung beginnt der Kommentar von Tomasz Krzyżak in der Tageszeitung Rzeczpospolita zu der aktuellen Situation in der EU. Es gäbe Stimmen, die besagen, dass es sich dabei um die bislang schwierigste Krise in der Geschichte der Staatengemeinschaft handle. Die Suche nach einem Ausweg dauere seit mindestens drei Jahren. Die Diskussion verlaufe auf vielen Ebenen auch im Europäischen Parlament, wo die Regierungschefs ihre Visionen der europäischen Zukunft vorstellen. Bis Anfang 2019 sollen noch 16 Reden gehalten werden.

Im Grunde genommen könne man aber den Meinungsaustausch auf drei Personen und drei Konzeptionen reduzieren, stellt der Publizist fest: auf der einen Seite gäbe es den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, auf der anderen den polnischen Premierminister Mateusz Morawiecki und dazwischen die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gestern in Straßburg eine Rede hielt.

Die Auftritte dieser drei Politiker würden die Problemzonen ganz deutlich markieren. Frankreichs Präsident setze sich für eine weitere Integration ein, er wünsche sich schnellere Reformen, er träume von einer Flucht nach vorne, ohne dabei auf die schwächeren Länder Rücksicht zu nehmen. Am entgegengesetzten Pol befinde sich der polnische Regierungschef Morawiecki. Der Pole meine, dass sich die EU in ihrer heutigen Form ausgeschöpft habe, man brauche eine Rückkehr zu den Grundideen der europäischen Gemeinschaft, man solle auf ein Europa der Vaterländer setzen.

Dazwischen platziere sich die Bundeskanzlerin. Dies habe sie auch bei ihrer Rede am Dienstag in Straßburg eindeutig zum Ausdruck gebracht, meint Krzyżak. Solidarität und Einigkeit wären die Grundpfeiler der EU, sagte die deutsche Politikerin. Man habe zwar erwartet, dass Angela Merkel im Europäischen Parlament ihre Vision für die Zukunft Europas vorstellen werde. Viele glaubten doch, dass ihr Rückzug aus der deutschen Politik der Beginn einer neuen Phase für die europäische Politik sei. Doch die Rede sei glatt gewesen, urteilt der Publizist. Man habe nichts Konkretes gehört. Man habe keine Vision kennen gelernt. Es sei aber kein Wunder, schreibt Tomasz Krzyżak abschließend, denn die Deutschen möchten mit beiden Seiten des Konflikts ihre Geschäfte machen.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Adenauer-Porträt auf der Wand ist zu wenig

Nach den angeblich verlorenen christdemokratischen Wurzeln ihrer Partei fragte die Bundeskanzlerin indes der Europaparlamentarier, Professor Ryszard Legutko (PiS). Nach dem Auftritt von Angela Merkel im Europäischen Parlament kritisierte der polnische Politiker unter anderem den, seiner Ansicht nach, zu großen Einfluss der deutschen Politik im Rahmen der EU. Wenn man sich im EU-Parlament mit einem Vorschlag durchsetzen wolle, der die deutschen Interessen beeinträchtigen könnte, zum Beispiel die Beendigung des Baus von Nord Stream 2, mehrten sich die Probleme gewaltig. Und wenn es gelinge, eine für Deutschland ungünstige Lösung durchzuboxen, ignoriere die Regierung in Berlin sie einfach, meint der Europaparlamentarier.

Geht es nach Legutko, spielten momentan die linken Ideen die wichtigste Rolle in der europäischen Politik, berichtet Dziennik/Gazeta Prawna. Entscheidende Rolle in den Institutionen würden nun Politiker mit linken Ansichten spielen. Nach der Auffassung von Legutko würde die Linke dem EU-Parlament ihre Weltanschauung, ihr politisches Programm und sogar ihre eigene Sprache aufzwingen. In diesem Kontext fragte der polnische Politiker Angela Merkel, was mit der christdemokratischen Tradition in der deutschen Politik passiert sei? Wieso sei diese abhandengekommen? Ein Porträt von Konrad Adenauer auf der Wand sei zu wenig, stellt der Politiker fest und fragt, wo die christdemokratische Vision Europas von Angela Merkel sei.

Jakub Kukla

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