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Union erneut an einer Weggabelung

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 13.09.2018 09:41
Ein wichtiges Thema in den Zeitungen ist heute die gestrige Entscheidung des EU-Parlaments, Artikel 7 gegen Ungarn anzuwenden.

Ein wichtiges Thema in den Zeitungen ist heute die gestrige Entscheidung des EU-Parlaments, Artikel 7 gegen Ungarn anzuwenden.

Rzeczpospolita: Union erneut an einer Weggabelung

Die Vorstoß der holländischen Eurodeputierten Judith Sargentini gegen Viktor Orban könnte eine Kräfteverschiebung in der EU nach sich ziehen, die sich die Politikerin überhaupt nicht gewünscht hat, lesen wir dazu in der konservativen Rzeczpospolita. Einige Stunden vor der Abstimmung zu Ungarn, erinnert Publizist Jędrzej Bielecki, hatte Juncker angedeutet, dass Artikel 7 eigentlich viel mehr Staaten umfassen könnte. Obwohl er keine Länder beim Namen nannte, als er etwa von ermordeten Journalisten sprach, sei klar, dass er Malta und die Slowakei meinte. Und damit, so Bielecki, sei die Liste lange nicht zu Ende. Denn obwohl sich die Deputierten der regierenden Österreichischen Volkspartei für die Aktivierung von Artikel 7 gegen Ungarn ausgesprochen hatten, sei auch ihre Koalition mit der rechtsradikalen Freiheitspartei Österreichs nur schwer als mit europäischen Werten vereinbar. Ähnlich wie das Programm des heute mächtigsten Politikers Italiens Matteo Salvini.

Falls sich die Eurodeputieren, so Bielecki, dem Beispiel von Sargentini folgend, nun gegen diese Staaten richten, werde dies schnell zu einer Lähmung der europäischen Institutionen führen. Und euroskeptische Parteien weiter stärken. Daher hatte Juncker in seiner Rede auch vorgeschlagen, sich - statt das Kriegsbeil auszugraben - auf die wichtigsten Regeln zu einigen, ohne die die EU überhaupt nicht funktionieren könne - darunter vor allem auf die Befolgung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs. Doch derzeit teile der Großteil der Eurodeputierten leider nicht diese Perspektive, so Bielecki in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita.

Gazeta Polska Codziennie: Krieg des alten und neuen Europas

Die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie schlägt nach der gestrigen Aktivierung von Artikel 7 gegenüber Ungarn indes in der heutigen Ausgabe Alarm und stellt die Entscheidung als eine weitere Etappe im Krieg des alten Europas gegen das neue dar. “Das ist ein weiterer Akt ideologischen Irrsinns”, zitiert das Blatt den EU-Abgeordneten der PiS Ryszard Czarnecki auf seiner Titelseite. Im dazugehörigen Artikel erfahren wir, dass für die Aktivierung der Prozedur gegen Ungarn unter anderem die Politiker der oppositionellen Bürgerplattform gestimmt haben, während die regierende Recht und Gerechtigkeit dagegen war. “Das ist schon eines der letzten Spektakel des Hasses”, kommentiert im Interview mit dem Blatt Czarnecki. “Nach den kommenden Wahlen wird sich das Parlament ändern. Das neue wird viel vernünftiger sein”, so der Politiker der PiS im Interview mit Gazeta Polska Codziennie.

Gazeta Wyborcza: Kwaśniewski an Duda: die EU sollte respektiert werden

Und in der linksliberalen Gazeta Wyborcza ruft Ex-Präsident Aleksander Kwaśniewski Staatsoberhaupt Andrzej Duda auf, dessen neuliche Bezeichnung von Europa als “imaginäre Gemeinschaft, aus der für uns nicht viel herausspringt”, noch einmal zu überdenken. Denn das, so Kwaśniewski, sei eine falsche und gefährliche These. Die EU, so der Politiker, sei keine “imaginäre”, sondern eine reale Gemeinschaft, die unserem Kontinent 60 Jahre lang den Frieden garantierte. Von Handelsvorteilen, über Personenfreizügigkeit, bis hin zu EU-Fonds, deren größter Benefizient Polen in der zu Ende gehenden Haushaltsperspektive ist, zählt Kwaśniewski in seinem offenen Brief die verschiedenen Wege auf, in denen Polen von der EU-Mitgliedschaft profitiert. Und erinnert daran, dass der EU-Beitritt 2004 eines der größten Ziele seiner Präsidentschaft war. Europa, so Kwaśniewski weiter, habe auf der Welt heute nicht nur Freunde. Skeptizismus gegenüber der wettbewerbsfähigen EU könne man sowohl in Washington als auch in Peking beobachten. Polen und sein Präsident sollten sich diesen euroskeptischen Strömungen nicht anschließen. “Falls daher die neulich in Leżajsk geäußerten Worte von Emotionen geleitet gewesen seien, appelliere ich um Besonnenheit. Falls von einer tieferen Strategie - warne ich. Dies ist gegen polnisches Interesse”, so Kwaśniewski in seinem offenen Brief an Staatspräsident Andrzej Duda in der Gazeta Wyborcza.

Autor: Adam de Nisau
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