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Schussspuren übermalen - Warschauer empört von Reliktentfernung

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 14.08.2018 13:32
Auf vielen Gebäuden der Hauptstadt sind noch Kugelspuren zu sehen. Meist von Schüssen, die im Warschauer Aufstand 1944 fielen.
Foto: archiwum Stanislawa Nalecz Komornickiego/FOTONOVAFoto: archiwum Stanislawa Nalecz Komornickiego/FOTONOVA

Gazeta Wyborcza: Schussspuren übermalen - Warschauer empört von Reliktentfernung

In einer Stadt, deren Zerstörung nicht die Folge, sondern das Ziel der deutschen Armee war, sind Spuren des Krieges nichts Außergewöhnliches, auch fast 75 Jahre nach seinem Ende. Sie werden ehrwürdig als Gleichgewicht zur rasanten Entwicklung erhalten – jedoch verschwinden Schussspuren und historische Graffiti bei nicht durchdachten Bauarbeiten.

Nachdem 1944 die planmäßige Zerstörung der Stadt nach dem Aufstand der Heimatarmee durchgeführt worden ist, blieb in Warschau kaum Bausubstanz. Unter kommunistischer Leitung sollte die Hauptstadt als Symbol des gefallenen Geistes Polens aus seiner Asche auferstehen.

Von dem pseudo-patriotischen Ansporn zum Wiederaufbau zeugen heute noch Aufschriften wie „Cały naród buduję swoją stolicę“, („das ganze Volk baut seine Hauptstadt“) auf kommunistischen Prunkbauten. An Gebäuden, die traditionalistisch nach dem Krieg viele stolze Orte des Herzogtums Warschau bedeckten, wimmelt es im Stadtzentrum und einige von ihnen werden immer unbeliebter. Selten wird entschieden, sie abzureißen, denn das postkommunistische Land schreckt nachvollziehbar vor Geschichtsausradierung zurück. In Warschau gibt es Platz für alles und jeden, nicht aber für Ignoranz der eigenen Geschichte gegenüber. Neofunktionalismus machte und macht alle paar Dekaden neue Runden: Bestehende Bauten wurden in den 90er Jahren von „Russizismen“, historisch belanglosen quasi-russischen Verzierungen, befreit und erhielten nützliche Zwecke. Das Leben ging weiter, die Stadt begann zu heilen.

Sanierungspläne, architektonische Hommagen an Warschau aus der Vorkriegszeit, verantwortungsbewusste Konservierung auch von kommunistischen Bauten – die Einstellung der Warschauer scheint auf eine Denkweise hinzudeuten, seine Geschichte verstehen zu sollen und langfristig alle ihre Etappen festzuhalten, schön oder nicht.

So sind auf vielen Gebäuden der Hauptstadt tatsächlich noch Kugelspuren zu sehen. Meist von Schüssen, die im Warschauer Aufstand 1944 fielen, seltener bei Ereignissen des Jahres 1968.

Es scheint kaum vorstellbar, dass jemand einfach so diese Zeitrelikte zukitten würde, doch genau das geschah diesen Sommer im Herzen der Stadt.

Die Gebäudeverwaltung des charakteristischen 1920er-Wohnhauses bei Chmielna 73b muss sich starker Kritik von Aktivisten und Konservatoren stellen. Außer Schussspuren befand sich auch die Aufschrift eines polnischen Sappeurs „Haus geprüft. Keine Minen.“. Es handelt sich dabei um eine der letzten Aufschriften Warschaus dieser Art. Diese Zeitzeugen verschwanden bei Renovationsarbeiten des Hauses, wo im Winter seine Bewohner Wasserflecken und andere Mängel meldeten. Die Verwaltung meint zwar, dass kein Konservator oder Beamter sich je für diese Kriegsspuren interessierte, jedoch berichtet Gazeta Wyborcza vom administrativen Kampf, diese zu erhalten. Es sei möglich, dass für Denkmalschutz zuständige Behörden die Sanierungsarbeiten aufhalten und fachlich fortsetzen, wie es seit langem vorgesehen war.

Stadtluft macht… immer noch krank. Heizkörperaustausch soll beschleunigt werden

Genau 6 Monate nach dem Durchforcieren des Anti-Smog-Gesetzes sind in Warschau kaum Änderungen zu sehen, berichtet Gazeta Wyborcza. Das Rathaus spricht stolz von erhaltenen Geldern für Heizkörperaustausch, Aktivisten fordern schnelleres Handeln.

Das lang erwartete Gesetz sieht vor allem den Austausch von alten, umweltunfreundlichen Heizkörpern gegen neue vor, und das mithilfe der Stadt: Bis 2022 sollen sämtliche Krankmacher aus der Stadt verschwinden. Warschau sehe dieses Jahr 18 Millionen Zloty für den Wechsel von vor allem Kohleöfen zu neuen vor. Es wird vermutet, in Warschau befänden sich 15 000 solcher toxischen Stinker. Bis Ende 2018 sollen 1900 umweltfreundliche Investitionen finanziert werden, gibt das Rathaus an. Bei nur 416 von ihnen handelt es sich um die Entfernung der Frischluft-Erzfeinde, denn die Mittel sind für Zuschüsse für Solarzellen und Wärmpumpen gedacht.

2022 ist drei Heizsaisonen entfernt, der Austausch geht vielen zu langsam. Ökoaktivisten sollen in Warschau und Umgebung die Runden machen und nicht nur über die finanziellen Vorteile einer beschleunigten Heizumstellung informieren, gibt Vizebürgermeister Michał Olszewski an. 5 000 Haushalte erhalten Anleitungen, Unterstützung im administrativen Labyrinth und Vergünstigungen beim Einhalten von Fristen. Solche vorgelegten Zeitrahmen sollen raschere Ergebnisse im Austausch von Kohleöfen bringen, schreibt das Blatt.

Sophia Rachubinski

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