Logo Polskiego Radia
Print

Rzeczpospolita: Im Hintergrund das gleichgültige, schweigende Polen

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 23.07.2018 12:34
Polizei-Kordons vor dem Sejm, Schutzbarrieren und Aggression der Schutzdienste - der Kommentator der Rzeczpospolita fragt, ob sich der PiS-Chef die Justizreform so vorgestellt hat. Aber auch, wo die Zivilgesellschaft bleibt.

Nach dem Wochenende setzt die Presse die Debatte über die kontroversen Änderungen im Obersten Gerichtshof fort. Hintergrund: Am Freitag hatte die regierenden Recht und Gerechtigkeit PiS, nach hitziger Debatte und im Expresstempo eine weitere (insgesamt fünfte schon) Novellierung des Gesetzes zum Obersten Gerichtshof durch den Sejm gepeitscht, die es ermöglicht, den Vorsitzenden der Institution schon durch 80, statt - wie bisher - 110 Richter zu wählen. Die Änderungen, mit der die PiS ihre durch Kandidatenmangel verursachten Probleme mit der Besetzung der freigewordenen Posten im Gerichtshof umgehen will, sind von Straßenprotesten und Festnahmen von Demonstranten durch die Polizei begleitet worden. Am Dienstag soll der Senat das Gesetz unter die Lupe nehmen.

Rzeczpospolita: Im Hintergrund das gleichgültige, schweigende Polen

Polizei-Kordons vor dem Sejm, Schutzbarrieren und vor ihnen Proteste, Megaphone und Transparente, Aggression der Schutzdienste - er sei sich nicht sicher, ob sich PiS-Chef Jarosław Kaczyński vor Jahren die Reform der Gerichte so vorgestellt habe, schreibt in seinem Kommentar zu den neuesten Entwicklungen rund um die Justizreform der Publizist der Rzeczpospolita Bogusław Chrabota. Er frage, ob sich Kaczyński das so vorgestellt habe, denn die Bilder, die man neulich serviert bekomme, hätten nichts mit der früher deklarierten Vision der Stärkung des Staates zu tun. Viel eher erinnere die Ästhetik voller Konfrontationen, brutaler Kraft und Gewalt, mit der die Regierenden die Bevölkerung derzeit fütterten, an den Kriegszustand.

Kaczyński, lesen wir weiter, werde vielleicht von Unruhestiftern und dem Widerstand verlogener Eliten sprechen. Aber ob ihm das noch jemand abnehmen werde? Nicht nur die undemokratischen Methoden ihrer Einführung, aber auch die Änderungen selbst würden für sich sprechen. Von der Qualität der vorherigen Versionen des Gesetzes zeuge die Tatsache, dass eine fünfte Novellierung notwendig gewesen sei. Die ganze Operation, so Chrabota, erinnere mehr an das Flicken eines löchrigen Bettlakens, als an eine ernsthafte Reform des Staates.

Worum gehe es der PiS vor allem? Er, so der Publizist, sei überzeugt, dass das Ziel Nummer eins die Übernahme des Staatstribunals sei, an dessen Spitze der erste Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs stehe und das jeden Politiker aus dem öffentlichen Leben entfernen könne, zum Beispiel indem es ihm das passive Wahlrecht entziehe. Das erkläre - vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlsaison - auch die Eile, mit der die Regierenden versuchen, die aktuelle Vorsitzende mit einem anderen Richter zu ersetzen.

Fazit: Es gehe um reine Macht. Nur sie werde das egoistische Erfolgsgefühl des Mannes befriedigen, der in der Regierungspartei die Strippen ziehe. Schade nur, dass die Szenografie, in der sich all das abspiele, so fürchterlich leer sei: Die Bürger seien in ihrer Masse irgendwo verschwunden. Denn dieser Kampfe um die Gerichte finde vor dem Hintergrund des komplett gleichgültigen und schweigenden Polens statt. Und diese Gleichgültigkeit sei die Kraft der PiS, so Bogusław Chrabota in seinem Kommentar für die Rzeczspolita.

Gazeta Wyborcza: Eine Wahlschlappe der PiS ist möglich

Die neuesten Entwicklungen rund um den Obersten Gerichtshof können die Recht und Gerechtigkeit die Macht kosten, schreibt indes in ihrem Kommentar für die linksliberale Gazeta Wyborcza die Publizistin Dominika Wielowieyska. Es, so die Publizistin, sei etwas dran am bekannten Spruch, dass Jarosław Kaczyński wie ein Skorpion sei, der den Frosch, auf dessen Rücken er den Fluss überquert, steche, da dies in seiner Natur liege. Und dann mit ihm versinke. Die skandalöse Art und Weise, in der das Gesetz über den Obersten Gerichtshof verabschiedet worden sei, lesen wir weiter, gefalle sogar einem Teil der PiS-Wähler nicht. Das werde die PiS-Anhänger zwar nicht dazu bewegen, für die Opposition zu stimmen, aber es werde sie demobilisieren. Und der Mangel an einer so enthusiastischen Determination, wie diejenige, dank der die PiS die Wahlen 2015 gewonnen habe, könne sich für die Partei als schmerzlich erweisen, spekuliert in ihrem Kommentar für die Gazeta Wyborcza Dominika Wielowieyska.

Dziennik/Gazeta Prawna: PiS will zeigen, dass der Präsident wenig kann

Auch mit dem Staatspräsidenten befinde sich die PiS derzeit auf Kollisionskurs, lesen wir im Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Der Grund: Führende Politiker der Regierungspartei sagen klipp und klar, dass es zu der vom Präsidenten angekündigten Volksabstimmung zur Verfassung nicht kommen werde. “Die Idee ist gut, aber der Termin am 10-11. November ist so unglücklich, dass es zu diesem Referendum nicht kommen sollte”, erklärt in einem inoffiziellen Gespräch mit dem Blatt einer der führenden Abgeordneten der PiS. Doch diese Begründung, lesen wir, sei nur ein Vorwand. “In Wirklichkeit will niemand dieses Referendum, die Initiative war ein Fehler”, sagt ein anderer Politiker aus dem Umfeld von PiS-Chef Jarosław Kaczyński. Die PiS fürchte eine niedrige Frequenz, was ein herber Schlag für den Staatspräsidenten aber auch für seine Partei wäre. Präsident Duda hatte am Freitag die Liste der 10 Fragen für die Abstimmung präsentiert. Die entgültige Entscheidung des Senats sollte, wie Senatsmarschall Stanisław Karczewski auf Twitter bekanntgab, am Mittwoch fallen.

Autor: Adam de Nisau

tags:
Print
Copyright © Polskie Radio S.A