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In längerer Perspektive könnte Trump die Auseinandersetzung mit Putin gewinnen

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 17.07.2018 11:42
Die meisten Kommentatoren werfen Trump Chaotentum vor. Manche vermuten hinter dem Durcheinander jedoch auch eine versteckte Ordnung.

Thema Nr. 1 in der Presse ist heute der gestrige Gipfel Trump-Putin in Helsinki.

Gazeta Wyborcza: Gipfel in Helsinki im Sinne von Putin

Eine Katastrophe konnte zwar verhindert werden, insgesamt sei der Gipfel jedoch ganz im Sinne von Putin verlaufen, schreibt in seinem Kommentar für die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza der Publizist Bartosz Wieliński.

Die guten Nachrichten: Trump, so Wieliński, habe - bis dato jedenfalls - die Krim-Annexion nicht anerkannt. Auch die Teilnahme von amerikanischen Truppen an den Manövern an der NATO-Ostflanke habe er nicht zurückgezogen, obwohl er nach seinem Treffen mit Kim Dzong Un eine solche Entscheidung in Bezug auf die Manöver auf der Koreanischen Halbinsel getroffen habe. Schließlich habe der US-Präsident zur Abwechslung auf Attacken auf die NATO und die EU verzichtet.

Viel mehr Gutes, so der Publizist, könne man über die Ergebnisse des Gipfels nicht sagen. So habe Trump kein Wort über den Krieg in der Ukraine und in Syrien verloren. Über den Konflikt mit dem Iran sprach er sich sehr zurückhaltend aus und die Frage der Menschenrechte, die für seine Vorgänger so wichtig war, habe er ganz verschwiegen. Zudem, lesen wir weiter, habe der US-Präsident wieder Mal gezeigt, dass er der Rolle eines Staatsmannes nicht gewachsen sei. Seine Angriffe auf die Opposition und die US-Geheimdienste würden nicht nur seinem Image schaden, aber auch die internationale Position der USA weiter untergraben. Man könne den Eindruck gewinnen, als ob das Szenario des Treffens auf dem Kreml geschrieben worden wäre.

Fazit: Außer einer öffentlichen Blamage Trumps, habe das Treffen in Helsinki nichts gebracht. Und das sei eine schlechte Nachricht für Europa, darunter für Polen. Denn auch wenn Trump die EU zuletzt als Gegner bezeichnet hatte, bleiben die USA weiterhin unser Verbündeter. Und wenn Amerika schwächer wird, werden wir schwächer mit ihr, so Bartosz Wieliński in seinem Kommentar für die Gazeta Wyborcza.

Rzeczpospolita: Spiele mit dem Globus

In ähnlichem Ton auch die Kommentare in der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita. Vladimir Putin, lesen wir im Blatt, habe darauf gezählt, dass der Gipfel endgültig die Isolation Russlands nach der Aggression auf die Ukraine vor vier Jahren beende. Er habe aber einen noch größeren Erfolg erzielt. Denn es kam sogar so weit, dass Putin in der Rolle von Trumps Anwalt auftreten und ihn gegen die Vorwürfe amerikanischer Medien verteidigen konnte, laut denen der Milliardär bei den Wahlen 2016 mit dem Kreml zusammengearbeitet habe.

Die vielleicht betrübenste Lehre aus dem Gipfel, so der Publizist der Rzeczpospolita Jerzy Haszczyński, sei, dass an der Spitze der USA nun jemand steht, dem es leichter fällt, seine Vorgänger zu kritisieren, als Russland, einen Staat also, den der Westen - und wie wir weiterhin hoffen auch Amerika - für seinen Feind hält. Auch die Tatsache, dass Trump während der Pressekonferenz zu verstehen gab, dass er Putin in Bezug auf eine Wahleinmischung Russlands mehr Vertrauen schenke, als seinen eigenen Geheimdiensten, gebe guten Grund, über die Vereinbarungen besorgt zu sein, die Putin und Trump hinter verschlossenen Türen getätigt haben, so Jerzy Haszczyński in der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita.

Dziennik/Gazeta Prawna: In längerer Perspektive könnte Trump die Auseinandersetzung gewinnen

Sowohl die deutschen, als auch die polnischen Medien stellen Trump oft und gerne als planlosen Chaot dar. Umso interessanter das Interview von Dziennik/Gazeta Prawna mit Witold Sokała - einem Experten für internationale Beziehungen vom Think Tank “Neue Konföderation”, der hinter dem Durcheinander eine versteckte Ordnung vermutet. Sokała gibt zu, dass das Treffen, seine Atmosphäre und die beiderseitigen Komplimente ein PR-Erfolg des russischen Staatspräsidenten sind. Dennoch, so Sokała, könnte Trump in längerer Perspektive als Sieger aus der Auseinandersetzung hervorgehen. Trump, so Sokała, denke weniger in Kategorien von Staatskontinuität oder politische Kontinuität und mehr in Kategorien von konkreten Deals. So könne man das, was Trump in Bezug auf Russland versuche, als eine Wiederholung seiner neulichen Strategie in Bezug auf Nordkorea verstehen: Als China Nordkorea ins Visier genommen und dabei auch Japan und Südkorea in seine Umlaufbahn gezogen hatte, erinnert Sokała, habe Trump begonnen, Kim Dzon Un zu umgarnen, um den nordkoreanischen Anführer an sich zu binden. Ähnlich, so Sokała, wolle Trump nun auch Putin an sich binden, um ihn bei der globalen Konfrontation mit China auf seiner Seite zu haben. Ein Bündnis mit Russland, so Sokała, sei in der Vision Trumps ein Element des politischen Drucks und einer Erhöhung der Wettberwerbsvorteils in Bezug auf die EU, die Trump als wirtschaftlichen Gegner wahrnehme. Und dies, so der Experte, sei ein rationaler, wenn auch sehr riskanter Plan.

Ob Trump einen “Deal” auf Kosten Mittel- und Osteuropas vereinbaren könnte? Die Region, so Sokała, sei für die USA vor allem als Abnehmer von Flüssiggas und militärischer Ausrüstung wichtig. Sie helfe auch dabei, Russland aufzuhalten - aber eben nur solange Russland Gegner und nicht Partner ist. Für die USA sei die Region also weniger wichtig als Russland. Wenn Putin daher Eingeständnisse fordern werde, dann sei es nicht ausgeschlossen, dass Trump sich darauf einlasse, so Witold Sokała im Interview mit Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau

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