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Politisches Erdbeben

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 10.01.2018 12:38
Sechs neue Gesichter und überraschende Entlassungen - seit gestern hat Polen eine neue Regierung. Und was sagt dazu die polnische Presse?
Foto: PAP/Radek Pietruszka

Rzeczpospolita: Weiterer “guter Wechsel”

Die größte Überraschung bei der gestrigen Rekonstruktion ist zweifellos die Demission von Verteidigungsminister Antoni Macierewicz gewesen, der durch seinen starken Rückhalt im konservativen Flügel und bei der konservativen Wählerschaft der Regierungspartei (PiS) als nicht absetzbar galt, schreibt heute auf ihrer Titelseite die Tageszeitung Rzeczpospolita. Laut Kommentatoren sei die Demission vor allem das Ergebnis des starken Drucks aus dem Präsidentenpalast gewesen und damit ein politischer Erfolg von Staatspräsident Andrzej Duda, der sich schon seit Monaten auf Konfliktkurs mit Macierewicz befand.

Relativ unerwartet ist auch der Wechsel im Auswärtigen Amt ausgegangen. Statt dem seit Wochen für den Posten diskutierten Kabinettschef von Staatspräsident Duda hat der bisherige Vizeaußenminister Jacek Czaputowicz das Ressort übernommen. Die anderen Personalentscheidungen seien schon seit längerer Zeit von Kommentatoren angekündigt worden. Viele von ihnen seien von der Notwendigkeit diktiert die Stellen zu füllen, die Morawiecki im Entwicklungs-, Finanz- und dem wiederbelebten Staatsschatzressort hinterlassen hat.

Rzeczpospolita: Meilenstein in Richtung Sieg

Die zwei größten Verlierer der Restrukturierung im Ministerrat seien die Gegner der PiS und die konservativen Wähler der Regierungspartei, schreibt in seinem Kommentar zum Umbau der Publizist der Rzeczpospolita Michał Szułdrzyński. Die Opposition, so der Autor, werde es nun viel schwerer haben, ein Kabinett zu kritisieren, in dem kontroverse und teilweise kompromittierte Politiker wie Antoni Macierewicz, Außenminister Witold Waszczykowski, Umweltminister Jan Szyszko und Gesundheitsminister Konstanty Radziwiłł fehlen. Ihre Nachfolger, beobachtet Szułdrzyński, seien viel gemäßigter im Ton und auch inhaltlich besser vorbereitet.

Erste Kommentare der radikalen Befürworter der PiS, für die besonders Macierewicz eine Symbolfigur gewesen ist, zeigen, was für ein harter Schlag dessen Demission für sie gewesen ist.

Und die Sieger der Umstrukturierung? Erstens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, der mit dem Bau einer eigenen Regierung seine Autorität bedeutend stärken konnte. Vizepremier Jarosław Gowin, aus dessen Umfeld nun insgesamt drei Minister stammen. Und vor allem PiS-Chef Jarosław Kaczyński, der wieder mal gezeigt habe, dass er immer noch im Stande ist, sowohl seine Gegner als auch seine Befürworter zu überraschen und für eine erneute Öffnung auf das Zentrum der politischen Szene sowie auf die EU bereit ist, sogar solche legendären Persönlichkeiten, wie Macierewicz zu opfern. Mit dem Umbau ebne Kaczyński seiner Partei den Weg zum Wahlsieg 2019, schreibt Szułdrzyński.

Gazeta Wyborcza: Kaczyński bestraft Macierewicz

Die wichtigsten Ursachen für die Demission von Macierewicz beleuchtet auf ihrer Titelseite die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Laut dem Blatt habe PiS-Chef Kaczyński die Demission vor allem aus zwei Gründen gebilligt. Erstens sei Macierewicz inzwischen zu stark geworden und habe zu viele eigene Anhänger um sich geschart. Kaczyński habe sich also des neuen Premierministers und des Staatspräsidenten, die beide für einen Rücktritt des Verteidigungsministers gewesen sind, bedient, um Macierewicz zu bestrafen. Zweitens hätten Kaczyński auch die Argumente über die fehlende Professionalität des Verteidigungsressorts unter Macierewicz von amerikanischer Seite überzeugt. Das Ministerium habe sich laut amerikanischen Diplomaten sowohl bei den Verhandlungen über den Kauf von Black Hawk Hubschraubern als auch bei den Gesprächen über Patriot-Raketen kompromittiert, lesen wir in der Gazeta Wyborcza.

Gazeta Polska Codziennie: Politisches Erdbeben

Und noch ein Blick auf die nationalkonservativen Stimmen der polnischen Presselandschaft. Von einem politischen Erdbeben schreibt auf ihrer Titelseite heute die regierungsnahe, nationalkonservative Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie. Mit den gestrigen Änderungen, lesen wir im Blatt, sollten vor allem alle Gegner der Recht und Gerechtigkeit zufrieden sein: Die Wähler der Bürgerplattform und der Nowoczesna-Partei, ökologische Aktivisten, die es auf den Umweltminister abgesehen hatten, sowie ehemalige Militärs, denen Verteidigungsminister Macierewicz ein Dorn im Auge gewesen sei. Am glücklichsten seien jedoch vermutlich Staatspräsident Andrzej Duda und sein Berater General Jarosław Kraszewski, die nach dem Rücktritt von Macierewicz sicherlich aufgeatmet haben.

Für Duda werde er nun auf keinen Fall mehr stimmen, schreibt in seinem Autorenkommentar zum Umbau Chefredakteur Tomasz Sakiewicz. Duda, so der Publizist, habe sich hinter einen kompromittierten General gestellt, der sein Zertifikat für den Zugang zu vertraulichen Informationen der Geheimdienste verloren hatte und dadurch zur Abberufung des besten Verteidigungsministers geführt, den Polen je hatte. Die PiS, betont Sakiewicz, müsse ihren Wählern nun erklären, wie es mit dem wichtigsten Wahlversprechen, also mit den Smolensk-Ermittlungen jetzt weitergehen soll. Denn ohne eine solche Erklärung werde die Partei nie wieder glaubwürdig sein. Der bisherige Innenminister Mariusz Błaszczak sei zwar ein guter Mann, doch nur Macierewicz sei eine Garantie gewesen, dass die Ermittlungen zum Flugzeugabsturz tatsächlich abgeschlossen werden. Błaszczak sei jetzt dazu verpflichtet, die Untersuchungskommission so gut er kann bei ihrer Aufgabe zu unterstützen, so Tomasz Sakiewicz in der Gazeta Polska Codziennie.

Adam de Nisau

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