Wichtigstes Thema in den Tageszeitungen sind natürlich die Bundestagswahlen und ihr Einfluss auf die deutsch-polnischen Beziehungen.
Dziennik/Gazeta Prawna: Süß-bitterer Sieg der CDU
Dziennik/Gazeta Prawna schreibt über einen süß-bitteren Sieg der CDU. Die Christdemokraten hätten zwar erneut den Sieg davongetragen, zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg seien jedoch mit der AfD als dritte Kraft die Rechtspopulisten ins Parlament eingezogen, Politiker die unter anderem ihre Wähler dazu ermuntern, “Stolz darauf zu sein, was die deutschen Soldaten in den Weltkriegen erreicht hätten”.
Zweifellos, so die Zeitung, werden nach Merkels Sieg die Reformen in der EU an Schwung gewinnen, denn für die Bundeskanzlerin gehe es nun darum, wie sie sich in die Geschichte einschreibt. Und erst am Wochenende habe der französische Präsident Emmanuel Macron Änderungen im Arbeitsrecht eingeführt, die ihm den Weg zu einer engeren Zusammenarbeit mit der Bundesregierung ebnen, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.
Gazeta Wyborcza: Das Ende einer Epoche
Die linksliberale Gazeta Wyborcza macht in der heutigen Ausgabe ebenfalls auf den Parlamentseinzug der AfD sowie auf das relativ schwache Wahlergebnis der CDU aufmerksam. In Deutschland, so Wyborcza, gehe eine Epoche zu Ende. Bisher, lesen wir, sei das deutsche Parlament für Politiker, die mit Stolz vom Zweiten Weltkrieg sprachen, verschlossen gewesen. Nun werden über 80 Abgeordnete der AfD im Bundestag sitzen. Bisher, erinnert das Blatt, hätten die Protestparteien ihre Einflüsse auf die DDR oder die heruntergekommenen Industriegebiete in Westdeutschland beschränkt. Heute könne die AfD auf Unterstützung im ganzen Land zählen. Vor allem von denjenigen, die von Merkels Entscheidung von 2015, die Grenzen für alle Flüchtlinge zu öffnen, enttäuscht gewesen seien.
Allein 2015, so das Blatt, seien eine Million Menschen nach Deutschland eingereist, Menschen anderer Hautfarben und anderen Glaubens. Ihre Ankunft hätte das Land so stark erschüttert, dass die Deutschen schließlich den katastrophischen Prophezeiungen der AfD Glauben geschenkt haben. Auf den Wahltreffen der Bundeskanzlerin seien erstmals in so großem Maße Pfiffe zu hören gewesen, man habe den Eindruck gewinnen können, Merkel habe aufgehört, Mutti - die Mutter der Nation - zu sein. Sie sei eine Politikerin geworden, die nach 12 Jahren am Staatssteuer endlich gehen sollte, beobachtet Gazeta Wyborcza.
Rzeczpospolita: Warschau kann ruhig schlafen
Optimistischere Töne in der konservativen Rzeczpospolita. Aus polnischer Sicht sei das Wahlergebnis ein beruhigendes Signal, schreibt in der Tageszeitung der Publizist Bogusław Chrabota. Die Einstellung Merkels gegenüber ihrem Partner an der Weichsel dürfte sich nicht grundsätzlich ändern.
Es sei unklar, lesen wir weiter, woher eigentlich diese Solidarität Merkels mit Warschau rühre. Gehe um ein Sentiment, dass in der gemeinsamen Erfahrung des Kommunismus verwurzelt sei? Um Realismus, der die sehr nahen Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder nicht vergessen lasse, ganz zu schweigen von den Millionen von Deutschen polnischer Herkunft sowie von Polen in der Bundesrepublik? Oder gehe es vielleicht um noch etwas anderes - um harten politischen Pragmatismus, laut dem die Allianz mit Polen nicht nur ein Symbol, sondern auch ein Fundament europäischer Einheit sei, die Deutschland bei den Gesprächen mit den USA, China und Russland doch so sehr brauche?
Ein Riss auf der Linie Warschau-Berlin, so Chrabota weiter, wäre aus deutscher Perspektive schmerzhafter als der Brexit. Die politische Kluft gleich an der östlichen Grenze der EU würde für Deutschland pyramidale Probleme und das unvermeidliche Ende des europäischen Projekts nach sich ziehen. Die weise und erfahrene “Mutti” verstehe all das sehr genau und daher könne Warschau ruhig schlafen - sogar das rebellische und störrische Warschau der PiS. Von einer kritiklosen Fortsetzung der anti-deutschen Rhetorik, warnt der Publizist, sei jedoch trotzdem abzuraten. Denn im europäischen Spiel zähle nicht nur die gutartige Merkel. Und in diesem Spiel sollte Polen viel stärker auf seinem wichtigsten Partner setzen und seine Zukunft in Europa auf einem eisernen Bündnis mit Berlin bauen.
Merkel werde der Regierung in Warschau nach den gewonnenen Wahlen sicherlich die Hand reichen wollen. Ob die Regierung PiS diese Geste auch erkennt, da sei er sich leider nicht so sicher, so Bogusław Chrabota in der Rzeczpospolita.
Adam de Nisau