Logo Polskiego Radia
Print

Die Chronik einer diplomatischen Katastrophe

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 10.03.2017 09:17
Die gestrige Wiederwahl von Donald Tusk zum Präsident des Rates der Europäischen Union ist das wichtigste Thema der medialen Berichterstattung.
Foto: polskieradio.pl

RZECZPOSPOLITA: Die Chronik einer diplomatischen Katastrophe

Die gestrige Wiederwahl des ehemaligen polnischen Premierministers zum Präsident des Rates der Europäischen Union ist das wichtigste Thema der medialen Berichterstattung in Polen. Seit dem gestrigen Nachmittag ist es klar: Donald Tusk bleibt Ratspräsident der Europäischen Union. Er ist auf dem EU-Gipfel in Brüssel wiedergewählt worden. Laut Diplomaten erhielt Tusk 27 der 28 Stimmen der Staats- und Regierungschefs. Nur Polen stimmte gegen ihn. Es ist das erste Mal, dass ein Ratspräsident gegen den Willen seines Heimatlandes gewählt wird. Der Versuch, seine Kandidatur zu blockieren sei kein Meisterplan der regierenden Partei gewesen, schreibt in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Publizist Michał Szułdrzyński. Vielmehr handelte es sich um eine spontane Mischung aus Ehrgeiz, Spannung und Abneigung Tusk gegenüber.

Die Idee, die Gegenkandidatur des Europaparlamentariers Jacek Saryusz-Wolski aufzustellen um Tusks Wiederwahl zu verhindern tauchte schon vor mehreren Monaten auf, schreibt der Publizist. Mit diesem Schritt wollte die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gleich zwei Ziele erreichen: ihren politischen Gegner, die oppositionelle Bürgerplattform durch den Verlust eines Europaabgeordneten schwächen und zugleich der Außenwelt zeigen, dass die Regierung in Warschau einen polnischen Kandidaten unterstütze, nur halt nicht den jetzigen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk.

Zu diesem Zeitpunkt, also im Dezember des vergangenen Jahres, soll es noch keine endgültige Entscheidung über die politische Zukunft Tusks in den Regierungsreihen gegeben haben. Noch vor ein paar Monaten vertrat der mit der Parteiführung eng verbundene Europapolitiker Ryszard Czarnecki die Meinung, Tusk könnte sogar auf die Unterstützung der Warschauer Regierung zählen, sollte er sich in nächster Zeit für keinen Konfrontationskurs mit der Regierung in Polen entscheiden. Mit der Zeit äußerte sich aber Parteichef Kaczyński immer kritischer über Tusks Wiederwahl. Allem Anschein nach hat er den Versicherungen seiner engsten Mitarbeiter Glauben geschenkt, es gäbe eine reale Chance die Wahl Tusks für die zweite Amtszeit zu blockieren. Noch letzte Woche äußerte Kaczyński die Meinung, dass die Gegenkandidatur von Saryusz-Wolski dazu führen könnte, dass auch andere Länder seine Kandidaten für den Posten des EU-Ratspräsidenten vorstellen würden, schreibt Szułdrzyński.

Hätte die Regierungspartei ihre diplomatische Offensive früher gestartet, könnte Polen vielleicht eine Allianz von Tusk-Gegnern aufbauen. Dann wäre seine Wiederwahl mindestens nicht so eindeutig. Und so haben sich für die Wiederwahl von Donald Tusk bis auf Polen alle restliche 27 EU-Staaten ausgesprochen und Polen befindet sich nun in einer schwierigen internationalen Lage, findet Michał Szułdrzyński.

Nach der gestrigen Abstimmung leitet der ehemalige polnische Premierminister Doanld Tusk nun für weitere zweieinhalb Jahre die EU-Gipfel. Der alte und neue Ratspräsident bedankte sich nach der Wiederwahl auf Twitter: „Dankbar für das Vertrauen und die positive Einschätzung. Ich werde mein Bestes geben, die EU weiter zu verbessern."

GAZETA POLSKA CODZIENNIE: Keine gute Wahl für Polen

In einem anderen Licht sieht die gestrige Wiederwahl von Donald Tusk die Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie. Europa musste sich vor dem deutschen Diktat beugen, urteilt die Tageszeitung. Noch vor dem entscheidenden Treffen der Regierungs- und Staatschefs der Europäischen Union sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Wiederwahl Tusks wäre ein Zeichen der Stabilität Europas und sie freue sich auf die anstehende Zusammenarbeit mit dem polnischen Politiker, erinnert das Blatt an die Aussage von Angela Merkel.

Entgegengesetzter Meinung als die deutsche Kanzlerin sind aber Vertreter der in Polen regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit. Die erneute Wahl von Donald Tusk sei eine bequeme Lösung für die größten Staaten in der Europäischen Union, meint der Europaabgeordnete und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Ryszard Czarnecki. Solch ein Präsident wie Tusk könne die größten Spieler in der Verfolgung ihrer Interessen nicht beeinträchtigen. Jacek Saryusz-Wolski sei ein Politiker, der über eine weitaus größere Erfahrung in europäischen Angelegenheiten verfüge, sehr gut verhandeln, zugleich aber die Interessen des eigenen Landes verteidigen könne. Der offizielle Kandidat Polens für den Posten des EU-Ratspräsidenten sei in jeder Hinsicht für den Posten besser vorbereitet als Donald Tuks, meint der Europaparlamentarier Ryszard Czarnecki.

Jakub Kukla

tags:
Print
Copyright © Polskie Radio S.A