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Die Doppelmoral der EU

PR dla Zagranicy
Kamila Lutostańska Kamila Lutostańska 27.10.2016 13:35
Rzeczpospolita: Es scheint, dass die Interessen mancher Regionen und Länder europäischer sind, als anderer.
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Rzeczpospolita: Die Doppelmoral der EU

Griechenland und Italien – die Länder also, die am stärksten von der Flüchtlingskrise betroffen sind – drohen Polen und den anderen Visegrad-Staaten mit dem Entzug von EU-Mitteln, berichtet heute die Rzeczpospolita. Dies, lesen wir im Blatt, soll die Strafe für deren unsolidarische Haltung in der Migrationskrise sein. So habe der griechische Premier Aleksis Csipras den Vorschlag sogenannter “flexibler Solidarität”, laut dem die Aufnahme von Flüchtlingen durch zusätzliche Beiträge in die EU-Kasse ersetzt werden könnten als unseriös bezeichnet. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi wiederum drohte mit einem Veto gegen die Auszahlung der Kohäsionsfonds an die Vertreter der V4.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Patts um den Freihandelsvertrag mit Kanada zeigen diese Aussagen deutlich die Doppelmoral der EU, schreibt in ihrem Kommentar zu diesen Drohungen die Kommentatorin der “Rzeczpospolita” Anna Słojewska. Im Streit um die CETA, erinnert die Journalistin, habe es das kleine Walonien geschafft, die Unterzeichnung des Freihandelsvertrags zwischen EU und Kanada zu blockieren. Und das, obwohl der Handelsumsatz Waloniens mit Kanada so gering sei, dass die CETA der Region nicht schaden würde, und wenn sie auch noch so ungünstig wäre. Von offizieller Kritik seitens der EU trotzdem keine Spur. Schließlich, so Słojewska, seien es Sozialisten, die die Bedenken geäußert hätten, und Belgien sei dazu auch noch eines der Gründungsländer der EU. Mehr noch, zu dem Patt sei es nur gekommen, da die EU im Fall von CETA das für Handelsverträge übliche Mehrheitsprinzip mit dem Prinzip der Einstimmigkeit ersetzt habe, um französischen und deutschen Sozialisten entgegenzukommen.

Auf der anderen Seite, fährt die Journalistin fort, hätten wir die Flüchtlingspolitik, wo es einige Staaten Mittel- und Osteuropas gewagt hätten, anderer Meinung zu sein, als der Rest Europas. In diesem Fall, betont Słojewska, sei der Widerstand alles andere als eine Marotte. Die Diskussion betreffe wichtige Interessen der betroffenen Staaten. Und das in einem Bereich, in dem nicht einmal klar sei, ob die EU überhaupt über Entscheidungskompetenzen verfüge. Die Reaktion: Drohgebärden und Mahnungen nach dem Motto, dass die widerspenstigen Nationen den Geist Europas nicht verstünden. Die Bedenken der Walonen nun mal ganz außen vor gelassen - natürlich könne jeder EU-Staat seine Interessen auf dem EU-Forum verteidigen. Doch es scheine, dass die Interessen mancher Regionen und Länder europäischer sind, als anderer, schließt Anna Słojewska ihren Kommentar für die Rzeczpospolita.

Dziennik/Gazeta Prawna: Verfassungstribunal-Chef Rzepliński ohne Einfluss auf seinen Nachfolger?

Wichtiges Thema in der Presse ist heute auch der neue Gesetzesvorschlag der regierenden Recht und Gerechtigkeit zum Verfassungsgericht. Laut dem neuen Gesetz könnte der aktuelle Tribunals-Chef seinen Einfluss auf die Wahl seines Nachfolgers verlieren, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna. Vieles hänge noch davon ab, wann die Vorschriften in Kraft treten, erklärt die Zeitung. Um Rzepliński, der in den vergangenen Monaten sich zu einem der Erzfeinde der aktuellen Regierung entwickelt habe, aus dem Wahlverfahren auszuschließen, müssten die Abgeordneten das Projekt vor dem Ablauf dessen Amtszeit am 18. Dezember durch das Parlament peitschen. Mit dem neuen Vorschlag versuche die PiS also, zwei Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen: einerseits setze das Projekt die meisten Rekommendationen der Venedig-Kommission um, andererseits sei es ein Versuch die Position Rzeplińskis’ zu untergraben. Der Tribunalschef antworte mit Änderungen in der Satzung des Verfassungsgerichts. Der Ausgang dieses Konflikts sei immer noch schwer vorherzusehen, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.

Gazeta Wyborcza: Weg mit den Gymnasien

Und noch ein Bildungsthema. Die Regierung sei determiniert die Gymnasien zu liquidieren - ohne Rücksicht auf Kosten für die Kinder, warnt die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Trotz zahlreicher Proteste von Gewerkschaften, Kommunen, Schuldirektoren und Eltern, die Angst vor dem geplanten Experiment an ihren Kindern hätten, so das Blatt, habe Premierministerin Beata Szydło die geplante Liquidierung der Gymnasien ab 2017 gestern erneut bestätigt.

Szydło habe einfach nicht den Mut, den Bürgern zu sagen: Ok, wir hören auf euch, wir werden die Reform aufschieben, um sie besser vorzubereiten, schreibt in ihrem Kommentar zum Konflikt die Kommentatorin der Gazeta Wyborcza, Justyna Suchecka. Aus der Sicht der Ministerpräsidentin, spekuliert die Kommentatorin, wäre dies der Ausdruck von Schwäche. Dabei sei doch auch für viele PiS-Mitglieder klar, dass die Abschaffung der Gymnasien in der Form, in der sie Bildungsministerin Anna Zalewska vorschlage, eine politische Katastrophe bedeuten würde. Die Last der Reform werde letztendlich auf die Kommunen fallen. Auch die von der PiS regierten Kommunen werden die Probleme, kurz vor den Kommunalwahlen, ausbaden müssen. Daher grübele die PiS nun auch fieberhaft, wie sie die Reform aufschieben und gleichzeitig ihr Gesicht wahren könne. Hoffentlich finde sie eine Lösung. Denn es sei eine große Sünde, zu kalkulieren, was den Wählern gefallen werde (viele von ihnen mögen Gymnasien nicht, obwohl sie nie Kinder in ihnen gehabt hätten) statt - was für sie und die Zukunft ihrer Kinder wirklich gut sei, so Justyna Suchecka in der Gazeta Wyborcza.

Adam de Nisau

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