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Polen bekommt den Hass zurück

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 12.11.2013 13:01
Der Rückblick auf den gestrigen Unabhängigkeitstag bestimmt die Presselandschaft von heute.

GAZETA WYBORCZA: Polen bekommt den Hass zurück

Der Rückblick auf den gestrigen Unabhängigkeitstag bestimmt die Presselandschaft von heute. Die Zeitung Gazeta Wyborcza schreibt über das getrennte Gedenken zweier Gruppen. „Ex-Premier Kaczyński boykottiert seit Jahren den rechtmäßig gewählten Präsidenten Bronislaw Komorowski, indem er nicht auf der Ehrenbühne auf dem Pilsudski-Platz auftritt, wenngleich er damit gleichzeitig jenen seine Ehrerbietung verweigert, die früher als Kämpfer die Unabhängigkeit errungen hatten. Er hat die Einladung abgelehnt, zusammen mit den anderen Premierministern der Dritten Republik, dem ersten Regierungschef nach der Erlangung der Unabhängigkeit, dem Politiker Ignacy Paderewski, zu gedenken. Stattdessen hat Kaczyński seine eigene Erinnerungsfeier zelebriert. Er hat dabei behauptet, dass die Unabhängigkeit derzeit von äußeren Feinden bedroht sei. Diese Feinde wollen Polen zu einem abhängigen Teil der Europäischen Föderation machen. […]“

Weiter heißt es in Gazeta Wyborcza: „Hinzukommen die Nationalisten, die bei ihrem selbst organisierten Marsch durch Warschau skandierten, dass Polen von Linksradikalen und Homosexuellen regiert werde. Auf der anderen Seite standen die ruhigen Menschen, die mit Präsident Komorowski ihren eigenen Umzug veranstalteten. […] Ist ein Dialog noch möglich zwischen diesen beiden Polen, die im unterschiedlichen Takt marschieren? Möglicherweise, aber es schwierig. Es gibt nur eine Bedingung dafür: Jarosław Kaczyński, der gestern von der äußeren Bedrohung sprach, muss bei seiner nächsten Demonstration einen Spiegel mitbringen.“

RZECZPOSPOLITA: Zwei Polen

Auch die Zeitung Rzeczpospolita spricht von der Unvereinbarkeit zweier Parteien im Land: „Gestern konnten wir zwei Polen beobachten. Eines, das den 95. Jahrestag der Unabhängigkeit gefeiert hat. In diesem Rahmen gab es den gemeinsamen Marsch, den Präsident Komorowski anführte. Und dann gab es da die Feier von Jarosław Kaczyński, und zu diesem Polen wird man auch einen Großteil der Nationalisten zählen können, die ihren eigenen Protestmarsch durchgeführt haben. Es sollte uns nicht empören, dass die Bürger Polens nicht gemeinsam feiern. Die Generationen der Helden haben nicht nur dafür gekämpft, dass wir das fremde Joch von uns werfen, sondern auch für die Möglichkeit der Auseinandersetzung miteinander. Das ist doch der Reiz der Demokratie.“
„Aber man darf doch erwarten, dass alle zumindest in der einen Gemeinsamkeit vereint sind, dass sie Polen lieben. Nicht wenige haben jedoch nun eine Grenze überschritten. Das zweite Polen besteht aus einer Gruppe von Hunderten Hooligans und Krawallmachern, die den Unabhängigkeitstag einfach nicht zu schätzen wissen,“ lesen wir abschließend in der Zeitung Rzeczpospolita.

DZIENNIK / GAZETA PRAWNA: Der Staat ist kein Dieb

Die Zeitung Dziennik / Gazeta Prawna widmet sich in ihrem Kommentar einem anderen Thema. In Polen, so das Wirtschaftsblatt, habe der Handel mit Universitätsabschlüssen zugenommen: „Hochschulen verkaufen ihre Diplome, und Dozenten nehmen Geld für die Note des Examens,“ schreibt Dziennik. „Innerhalb der letzten mehr als 20 Jahre wollte uns nicht in den Kopf gehen, dass Bildung und Erziehung genauso ein Markt sind wie alle andere Branchen auch. Und dass sich bei jeder Nachfrage auch unredliche Menschen finden lassen, die der Duft der Druckerschwärze auf Geldscheinen in Erregung bringt.“

„Es genügt an bekannte Affären in der Hochschullandschaft zu erinnern. Alle wissen davon, haben davon geschrieben und darüber diskutiert, vor allem die Lokalpresse. Nur das Wissenschaftsministerium nimmt das Problem nicht wahr. Zuletzt wurde zum Beispiel die private Management-Fachschule in Legnica (Niederschlesien) von Studenten angezeigt. Doch bis auf interne Untersuchungen ist nichts passiert. Der Hochschulbetrieb läuft nach wie vor. Dabei sollte es eigentlich so sein: Wenn die Normen nicht erfüllt werden, müsste die Hochschule ihre Lehrberechtigung verlieren. Und Schluss.“ So der Kommentar der Zeitung Dziennik.

Autor: Holger Lühmann
Redaktion: Joachim Ciecierski

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